Christopher Montgomery, Erfinder des freien Audio-Codecs Ogg Vorbis und Gründer der Xiph-Foundation, erklärt im Interview mit Ress.at, warum es schwierig ist, sich gegen Apple und Microsoft durchzusetzen und warum Ogg Vorbis in der Online-Musik bisher ein Schattendasein führt.
Das freie Musikformat Ogg Vorbis erfüllt eigentlich alle Voraussetzungen, um in der Online-Musikszene erfolgreich zu sein. An der Qualität des Codecs gibt es keine Zweifel, auch vor Patentklagen scheint Ogg Vorbis im Gegensatz zu seinem proprietären Konkurrenten MP3 weitgehend gefeit.
Dennoch ist die Verbreitung des freien Formats vergleichsweise gering. Das liege vor allem daran, dass das Online-Musikgeschäft von zwei Anbietern beherrscht werde, meinte Christopher Montgomery, der kurz vor der Jahrtausendwende damit begann, Ogg Vorbis zu entwickeln, gegenüber Ress.at: Gegen die Konsolidierung in der Industrie, so Montgomery, sei nur schwer anzukommen.
Warum wird Ogg Vorbis von vielen Herstellern digitaler Musik-Player nicht unterstützt?
Montgomery: Dafür gibt es drei Gründe. Der erste ist technischer Natur. Vorbis braucht zwar nicht mehr Rechenleistung als MP3, aber es benötigt mehr Arbeitsspeicher. Windows Media Audio [WMA] hat ein ähnliches Problem. Daher ist die Verbreitung von WMA auch relativ gering, wenn man in Betracht zieht, wie viel Geld Microsoft in die Promotion des Formats gesteckt hat.
Als ich mit der Entwicklung von Vorbis begonnen habe, hatte es den Anschein, dass der Trend bei Digital Signal Processors [DSPs] dahin gehe, dass den Prozessoren immer mehr Arbeitsspeicher zur Verfügung stehen würde. Das war in gewisser Weise auch der Fall, allerdings nur bei High-End-Playern, wie dem iPod oder dem Zune. Bei Low-End-Playern werden hingegen üblicherweise die billigsten Komponenten verwendet - und kein Cent mehr. Diese Prozessoren haben sich in die entgegengesetzte Richtung entwickelt: schneller, aber mit weniger Arbeitsspeicher an Bord.
Das zweite Problem ist die Konsolidierung der Industrie. Im ersten Jahr von Vorbis wurden wir von jeder Software unterstützt und waren auch drauf und dran, dasselbe bei der Hardware zu erreichen. Dann haben Microsoft [Windows Media Player] und Apple [iTunes, iPod] über Nacht die Konkurrenz aus dem Geschäft gedrängt. Wer installiert sich schon WinAmp, wenn der Windows Media Player schon installiert ist und es beinahe unmöglich ist, ihn vom Rechner zu bekommen? Weil Apple und Microsoft konkurrierende Formate haben [Apple ist Mitglied des MPEG-Konsortiums und WMA basiert auf MPEG4, auch wenn Microsoft das gerne verschweigt], müssen sie Vorbis ignorieren. Alles andere ergäbe für sie keinen Sinn.
Drittens werden Anwälte dafür bezahlt, damit sie Risiken vermeiden, und nicht um Nachforschungen anzustellen. Jedes große Unternehmen im Online-Geschäft, das Vorbis nicht unterstützt [zum Beispiel Apple], scheint sich der Tatsache nicht bewusst zu sein, dass andere große Unternehmen Vorbis bereits verwenden. Selbst Microsoft verwendet Vorbis als Komponente in vielen seiner PC-Spiele. Dabei wird Vorbis zur Musik, für Sound-Effekte und Sprachaufnahmen verwendet. Es ist aber nicht in einer Form integriert, die den Windows Media Player betrifft. Das passt Microsoft ganz gut.
Wie können diese Hürden überwunden werden?
Montgomery: Wenn es uns gelingt, eines der dieser Probleme zu lösen, stehen die Chancen für eine breitere Akzeptanz des Formats recht gut.
Mit unserer nächsten Codec-Generation wollen wir die Speicherfrage lösen. Wenn die MPEG-Lizenzierungsfassade weiterhin bröckelt, werden auch die Anwälte bemerken, dass Ogg die sicherste Option ist.
Montgomery: Gegen die Konsolidierung der Industrie können wir allerdings nur sehr schwer ankommen. Es gibt eigentlich nur noch zwei Anbieter am Markt, MPEG über Apple und Microsoft. Dabei handelt es sich jedoch im wesentlichen um dieselbe Technologie, die nur in unterschiedliche Geschäftsmodelle integriert ist.
Früher hat es eine lebhafte Online-Musik-Community gegeben, die von gebündelter Software und abgeschlossenen Hardware-Systemen von Apple und Microsoft fast zur Gänze ausgelöscht wurde. Das wird mit der zunehmenden Verbreitung von Systemen digitaler Rechteverwaltung [DRM] noch schlimmer werden.
Wie sieht es mit der Unterstützung von Ogg Vorbis durch Online-Musikanbieter aus?
Montgomery: Als wir begonnen haben, war die Online-Musik-Community sehr klein. Damals hatten wir mit einer Reihe von maßgeblichen Leuten und Projekten Kontakt.
Viele davon wurden jedoch aus dem Geschäft gedrängt. Wir haben leider keine vergleichbaren Kontakte zu Apple oder Disney. Die Online-Musik-Community gibt es in dieser Form leider nicht mehr.
Unter Beobachtern gilt auch Vorbis als verwundbar für Patentklagen. Wurden Ihnen Patentklagen im Zusammenhang mit Ogg Vorbis angedroht?
Montogmery: Nein. Es gab keine einzige Klage, auch keine Klagsdrohungen gegen Ogg oder gegen Vorbis.
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