Google hadert mit US-Visumpolitik
08. Juni 2007, 22:29
| 0 KommentareGoogles Personalchef Laszlo Bock schlägt vor dem Einwanderungsausschuss des US-Repräsentantenhauses Alarm. Wenn Washington nicht mehr Arbeitsvisa vergebe, könne sein Unternehmen nicht mehr die besten Köpfe der Welt rekrutieren.
Eine am Mittwoch veröffentlichte Stellungnahme, die Google-Personalchef Bock vor dem Unterausschuss für Einwanderung, Staatsbürgerschaftsrecht, Flüchtlinge und Grenzsicherheit abgegeben hat, verschafft dem Leser einen Einblick in Kultur und Probleme des Medienunternehmens - und beleuchtet die Bedingungen auf dem weltweiten Arbeitsmarkt für Computerexperten.
Kampf um die Köpfe
Bock plädierte dafür, dass die Regierung mehr Visa vom Typ H-1B vergeben solle. H-1B-Papiere erlauben es ihrem Besitzer, bis zu sechs Jahre lang in den Vereinigten Staaten zu arbeiten. Dabei sind sie an das Unternehmen gebunden, das den Visumantrag für sie gestellt hat, das Unternehmen kann ihre Arbeitskraft aber auch verleihen. H-1B-Visa können nur für qualifizierte Arbeitskräfte beantragt werden.
Derzeit ist die Anzahl der jährlich vergebenen H-1B-Visa auf 65.000 festgelegt. "Das entspricht nicht den Anforderungen unserer technologiegetriebenen Volkswirtschaft", sagte Bock, der eine Schätzung zitierte, nach der bereits innerhalb der ersten beiden Tage der Antragsfristen für das Geschäftsjahr 2008 um die 133.000 Visumanträge gestellt worden seien. Von 2001 bis 2003 hatten die Einwanderungsbehörden die Zahl der H-1B-Visa vorübergehend auf 195.000 erhöht.
Einbürgerung schwierig
"Die künstlich niedrig gehaltene Zahl von H-1B-Visa hat im vergangenen Jahr mehr als 70 Jobkandidaten für Google daran gehindert, diese Papiere zu erhalten", sagte Bock. Außerdem warf er den Einwanderungsbehörden "beträchtliche Verzögerungen" dabei vor, Green-Card-Anträge bereits angestellter hoch Qualifizierter zu bearbeiten.
"Diese Verzögerungen führen dazu, dass Zehntausende bestens ausgebildeter Arbeitskräfte in juristischer Unsicherheit leben müssen", gab der Google-Personalchef im Ausschuss zu Protokoll. Wer über ein H-1B-Visum als Fachkraft in die USA gekommen ist und Staatsbürger werden will, muss einen komplexen bürokratischen Prozess durchlaufen.
Google - von Migranten aufgebaut
Laut Bocks Angaben arbeiten immerhin acht Prozent aller in den USA angestellten Google-Mitarbeiter auf Grundlage eines H-1B-Visums dort. Diese Mitarbeiter stammten aus 80 verschiedenen Ländern. "Google ist auf Programme wie H-1B angewiesen, um hoch qualifiziertes Personal zu bekommen", sagte Bock, der auch ausführlich die Lebensgeschichte von Google-Mitgründer Sergey Brin referierte, der als Sechsjähriger mit seinen Eltern aus der Sowjetunion in die USA eingewandert war.
Auch die Google-Größen Orkut Buyukkokten, der Erfinder des frühen Sozialen Netzwerks "Orkut", und Chefwissenschaftler Krishna Bharat seien über das H-1B-Programm in die USA gekommen.
500 Mitarbeiter mehr pro Monat
Um Vorwürfen entgegenzutreten, Google schaffe keine Arbeitsplätze für US-Staatsbürger, legte Bock Zahlen vor, nach denen die Zahl der Google-Mitarbeiter von 5.700 im Dezember 2004 auf über 12.200 im März 2007 angewachsen sei. Seit Anfang des Jahres sei Google um zirka 2.000 Angestellte gewachsen, derzeit kämen pro Monat im Schnitt 500 Angestellte zum Unternehmen, allein im Raum San Francisco gebe es bei Google fast 800 freie Stellen.
Ob der Zuwachs an Arbeitskräften den von Google getätigten Akquisen anderer Firmen zu verdanken ist, hat Bock allerdings nicht präzisiert. Er wies aber darauf hin, dass auch indische und chinesische Firmen auf dem Weltmarkt der knappen technischen Expertise verstärkt konkurrenzfähige Angebote machen würden. "Die USA müssen weiterhin für großartige Denker attraktiv bleiben", forderte Bock, der auch seine eigene Mutter Susan in die Sitzung des Ausschusses mitgebracht hatte. Bocks Eltern waren aus dem Ceausescu-Rumänien in die USA geflohen.
Lohndumping mit indischen Informatikern
Ob Bocks Appell an den American Dream die Abgeordneten davon überzeugen wird, die Einreisebestimmungen für Experten zu lockern, darf bezweifelt werden. Das H-1B-Programm steht derzeit unter starker Kritik.
Wie das US-Fachblatt "InformationWeek" Mitte Mai berichtete, werfen die US-Senatoren Dick Durbin [D] und Chuck Grassley [R] speziell indischen Firmen vor, die Expertenvisa dazu zu nutzen, Arbeitskräfte in den Vereinigten Staaten zu schulen und sie dann wieder zu Outsourcing-Zwecken und Billigproduktion in ihre Heimatländer zurückzuziehen.
Die indischen Programmierer sind dabei in hohem Maß von den Firmen abhängig, die ihnen die Visa besorgt haben. Ein Szenario, das an frühkapitalistische Verhältnisse erinnert und das der britische Autor Hari Kunzru in seinem Migrantenroman "Transmission" [2005] eindrucksvoll geschildert hat.
Outsourcer und Großunternehmen
Laut "InformationWeek" handelte es sich bei fünf der zehn Firmen, die die meisten H-1B-Visa ausgestellt bekamen, um indische Outsourcing-Unternehmen. Neun dieser indischen Firmen bekamen zusammen immerhin 19.512 der 65.000 für das vergangene Geschäftsjahr ausgestellten H-1B-Visa.
Andererseits nutzten auch große Arbeitgeber der IT-Branche der Vereinigten Staaten die H-1B-Visa, um ihre offenen Stellen zu besetzen. Auch Microsoft [3.117, Platz 3], IBM [1.130, Platz 8] und Oracle [1.022, Platz 9] befinden sich unter den Top Ten der Antragsteller. Google folgt mit 328 erhaltenen Visa auf Platz 53 - weit hinter anderen Größen der IT- und Consulting-Branche.
Quelle:
Fz